Freitag, 11. Januar 2013

Aufmerksamkeit um jeden Preis?


Ich möchte nun zur eigentlichen Hauptfrage zurückkehren: Dürfen schärfste Provokation, Propagierung des gängigen Schönheitsideal, prominenter Glamourfaktor oder gar sexistisch anmutende PR-Kampagnen genutzt werden, um auf das Problem des Tierleids aufmerksam zu machen? Wo liegt die Grenze zwischen Pietätlosigkeit und Notwendigkeit, um ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen?
Halten wir zunächst einmal fest: 85% der Spenden PETAs fließen in Aufklärungskampagnen, Öffentlichkeitsarbeit und politische Arbeit.[1] Grund für die Fokussierung auf PR-Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit ist laut eigener Aussage, dass Menschen darüber aufgeklärt werden sollen, wie sie Tierleid verhindern können.[2] Angesichts von jährlich 2.354.447,24 Euro Spenden[3] haben die Tierrechtler also vielfältige Möglichkeiten, die durch den gezielten Einsatz der Medien als Multiplikator noch vergrößert werden.

Auf Konfrontationskurs

PETA setzt bewusst auf eine konfrontative Öffentlichkeitsarbeit, sprich, ein öffentlichkeitswirksamer Gegner wird entlarvt und der (Medien-)Öffentlichkeit, stellvertretend für eine gesamte Branche, als Negativbeispiel vorgeführt.[4] Die einhergehend kommunizierten Forderungen sind dabei stets absolut. Nicht der gütliche Kompromiss ist das Ziel, sondern die resolute Durchsetzung der eigenen Ansichten. So wurde im Fall des Geflügelhofes Wiesenhof sogleich die Abschaffung aller Tierhaltung propagiert. Das Video könnt Ihr euch hier anschauen:

        

Der Vorteil der konfrontativen Öffentlichkeitsarbeit ist die große mediale Aufmerksamkeit – Konflikte und Skandale besitzen einen großen Nachrichtenwert, gerade wenn die involvierten Unternehmen namenhaft sind. Der Nachteil der Strategie ist eindeutig, dass PETA in der Öffentlichkeit zwar als Kritiker wahrgenommen wird, nicht aber mit der Lösung des Problems in Verbindung gebracht wird, da deren Lösungsansätze vom Großteil der Bevölkerung als nicht praktikabel gewertet werden. So ist für die meisten Deutschen der Übergang zu einer vegetarischen Lebensweise keine ernstzunehmende Antwort auf Missstände in der Tierhaltung. Darüber hinaus ist diese Form der Kritik nur bedingt geeignet, um komplexe Themen zu kommunizieren wenn der „Angeklagte“ den Forderungen PETAs nachkommt. Akzeptiert der Geflügelhalter die von PETA gewünschten Haltungsbedingungen, lässt sich nur schwer eine nachfolgende Debatte über Massentierhaltung anstoßen. Damit stößt diese Strategie an ihre Grenzen.[5]

Tierrecht = Lifestyle

Es ist also nachvollziehbar, dass PETA irgendwann begann, sich Gedanken darüber zu machen, auf welche Art und Weise ihr Anliegen noch unters Volk gebracht werden kann. Die Antwort war schnell gefunden: Seit den 1990er Jahren begann PETA Tierschutz als Lifestyle zu propagieren.[6] Das zuvor muffige PETA-Magazin mutierte zur Hochglanzzeitschrift, Kooperationen mit Prominenten wie Schauspielern, Musikern und Models wurden geschlossen, vegetarische Ernährung wurde mit Attraktivität und Gesundheit gleichgesetzt.

Bildrechte: PETA

Die Vorteile dieser Taktik liegen auf der Hand: Zielgruppen und Medien werden erreicht, die eigentlich kein Interesse an Tierschutzthemen haben (z.B. Modezeitschriften oder Illustrierte), aber wenn die Inhalte von (einer halbnackten) Pamela Anderson beworben werden, dann lohnt es sich doch, die Kampagne abzudrucken oder der Anzeige Aufmerksamkeit zu schenken. Da außerdem nun nicht mehr die bösen Gegner sonder die Konsumenten mit Mittelpunkt stehen, können diese viel direkter angesprochen werden. Ändere dein Verhalten! Werde Vegetarier! Boykottiere Pelz! Noch immer werden dazu schockierende Tierbilder eingesetzt, doch die Vorbildfunktion von Prominenten aktiviert auch die hartgesottensten Fleischesser, die bei dem Thema zuvor automatisch auf Durchzug geschaltet hatten, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Das Riskante an dieser lifestyleorientierten Strategie ist die Gleichsetzung von Vegetarismus, gesundem Lebensstil und Attraktivität. Das individuelle Wohl und die Schönheit des eigenen Körpers werden in den Fokus gerückt; die Kernidee Tierleid zu verhindern, verliert ihre Bedeutung. Problematisch ist außerdem, dass die Vorbildfunktion der Prominenten auch im umgekehrten Fall funktioniert. Wenn eine jahrelang Vegetarismus-predigende Schauspielerin nach 5 Jahren doch wieder auf den Fleischgeschmack gekommen ist und herzhaft in einen Hamburger beißt, so wird auch dies unausweichlich mediale Berichterstattung nach sich ziehen (inklusive Glaubwürdigkeitsverlust PETAs).

Das Prinzip „Sex Sells“ funktioniert immer

Immer wieder zeigen die Kampagnen PETAs nackte oder halbnackte Frauen, die Bildgestaltung erinnert an Softpornos und die Plakatslogans enthalten sexuelle Anspielungen. Um ein Beispiel zu bringen:

Bildrechte: PETA

Beispielhaft hierfür ist auch die aktuellste Kampagne „My boyfriend went vegan“ zu nennen, in welcher propagiert wird, dass ein veganer Lebensstil die männliche Potenz derart steigere, dass die abendlichen Kuschelstunden in wahren „Gewaltorgien“ enden, sodass die Frau (die derartigen Wildheiten natürlich schon ihr Leben lang entgegenfieberte, kuscheln wird überbewertet) anschließend Halskrausen und Gehhilfen nötig hat.

        

Ingrid Newkirk, die Gründerin PETAs, verteidigt diese Strategie als vollkommen legitim, da somit die öffentliche Aufmerksamkeit erregt werde und alle Models, Schauspieler & Co schließlich Freiwillige seien.[7] Ich finde damit hat sie nicht ganz unrecht, die Funktionalität des Prinzips „Sex sells“ ist nicht zu verleugnen. Ähnlich wie auch bei der Frage, ob Prominente für PETA werben sollten, kann auch hier damit argumentiert werden, dass somit Medien und Personengruppen erreicht werden, die sich normalerweise keinen Kopf um die Problematiken „Tierleid“ und „Vegetarismus“ machen würden. Als sehr problematisch empfinde ich es aber, dass somit Geschlechterstereotype und gängige Schönheitsideale reproduziert und propagiert werden. Frauen lieben ausschließlich harten Sex. Frauen haben gertenschlank und langbeinig zu sein. Frauen müssen mit ihren Bambi-Augen klimpern, sich jederzeit vollkommen (un!)natürlich lasziv räkeln (auch wenn sie beim Abwaschen sind, besonders dann) und dabei gekonnt die lange Haarmähne schwenken. Erst dann sind sie hübsch und begehrenswert. Darüber hinaus kann PETA vorgeworfen werden, dass das Thema Tierrecht neben der sexualisierten Werbung an Bedeutung verliert. Das ursprüngliche Anliegen gerät zur Bagatelle während diese Form der Werbung die „Marke PETA“ ins Gespräch bringt, nicht aber deren Inhalte. Der beim Betrachten der Plakate stellt sich bei mir ein gewisser schaler Geschmack ein, der wohl auf die mit sexistischer Werbung assoziierte Inkompetenz des dahinterstehenden Unternehmens zurückzuführen ist. Mir drängt sich spontan die Frage auf, ob derartige Unternehmen keine seriöseren Wege finden konnten, um ihre Inhalte in die Köpfe der Menschen zu bringen. Denn nackte Frauen auf Werbeplakaten wirken auf mich –aller gutgemeinten Intentionen zum Trotz – einfach in jedem Falle billig, irgendwie nach dem Motto: „Ich bin zu faul mir Gedanken zu machen, wie ich meine Werbung ansprechend gestalten kann. Ich kleb einfach eine nackte Frau auf mein Produkt. Das läuft immer.“

In diesem Sinne:
„Bettina, zieh dir bitte etwas an!“ – Fettes Brot




Literatur:

Adams, Carol J. (2003): The pornography of meat. New York: Continuum International Publishing Group.
Heubach, Andrea (2011): Der Fleischvergleich – Sexismuskritik in der Tierrechts-/ Tierbefreiungsbewegung. In: Chimaira Arbeitskreis für Human-Animal Studies (Hrsg.): Human-Animal Studies – Über die gesellschaftliche Natur von Mensch-Tier-Verhältnissen. Bielefeld: Transcript Verlag, S.243–277.
Maneesha, Deckha (2008): Disturbing images. Peta and the Feminist Ethics of Animal Advocacy. In: Ethics & the Environment, 13. Jahrgang, Heft 2, S.35–76.
Voss, Kathrin (2012): Kontrovers und sexy – Kampagnen der Tierrechtsorganisation PETA. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 62. Jahrgang, Heft 8-9/2012, S.41–47.
Wittrock, Olaf; Zavelberg, Sebastian (2012): Die Radikalen. In: prmagazin, 43. Jahrgang, Heft 9, S. 30–35.

Internet:

Craft, Nikki (2011): PETA – Where only women are treated like meat. Internet: http://nostatusquo.com/ACLU/PETA/peta.html [Zugriff am 09.01.2013]
PETA (2012)a: Jahresbericht 2011. Internet: http://www.peta.de/web/home.cfml?viewfile=1&fn=1077326E11D36&mod=view&execute=1 [Zugriff am 02.01.2013]
PETA (2012)b: Kritikpunkt: „Spenden helfen Tieren nicht wirklich“. Internet http://www.peta.de/web/home.cfm?p=3838 [Zugriff am 27.12.2012]



[1] Vgl. PETA (2012)a.
[2] Vgl. PETA (2012)b.
[3] Vgl. PETA (2012)a.
[4] Vgl. Voss (2012): S.42.
[5] Vgl. Voss (2012): S.42.
[6] Vgl. Voss (2012): S.44.
[7] Vgl. Heubach (2011): S.256ff.

3 Kommentare:

  1. Sehr toll und kritisch geschrieben, Amarante!

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  2. Über PETA und die neue SOKO Terischutz wird auf Facebook unter heftig diskutiert. https://www.facebook.com/groups/tierschutzmoney/

    Auch die TAZ brachte jüngst einen aufschlussreichen Artikel. Liest man die Kommentare aufmerksam durch wird die Enttäuschung über PETA immer grösser. http://www.taz.de/!118346/

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