Ich möchte nun zur eigentlichen Hauptfrage zurückkehren: Dürfen
schärfste Provokation, Propagierung des gängigen Schönheitsideal, prominenter
Glamourfaktor oder gar sexistisch anmutende PR-Kampagnen genutzt werden, um auf
das Problem des Tierleids aufmerksam zu machen? Wo liegt die Grenze zwischen
Pietätlosigkeit und Notwendigkeit, um ein Bewusstsein für die Problematik zu
schaffen?
Halten wir zunächst einmal fest: 85% der
Spenden PETAs fließen in Aufklärungskampagnen, Öffentlichkeitsarbeit und
politische Arbeit.[1]
Grund für die Fokussierung auf PR-Kampagnen und
Öffentlichkeitsarbeit ist laut eigener Aussage, dass Menschen darüber
aufgeklärt werden sollen, wie sie Tierleid verhindern können.[2]
Angesichts von jährlich 2.354.447,24 Euro Spenden[3]
haben die Tierrechtler also vielfältige Möglichkeiten, die durch den gezielten Einsatz der Medien als Multiplikator noch
vergrößert werden.
Auf Konfrontationskurs
PETA
setzt bewusst auf eine konfrontative
Öffentlichkeitsarbeit, sprich, ein öffentlichkeitswirksamer Gegner wird
entlarvt und der (Medien-)Öffentlichkeit, stellvertretend für eine gesamte
Branche, als Negativbeispiel vorgeführt.[4]
Die einhergehend kommunizierten Forderungen sind dabei stets absolut. Nicht der
gütliche Kompromiss ist das Ziel, sondern die resolute Durchsetzung der eigenen
Ansichten. So wurde im Fall des Geflügelhofes Wiesenhof sogleich die Abschaffung
aller Tierhaltung propagiert. Das Video könnt Ihr euch hier anschauen:
Der
Vorteil der konfrontativen Öffentlichkeitsarbeit ist die große mediale
Aufmerksamkeit – Konflikte und Skandale besitzen einen großen Nachrichtenwert,
gerade wenn die involvierten Unternehmen namenhaft sind. Der Nachteil der
Strategie ist eindeutig, dass PETA in der Öffentlichkeit zwar als Kritiker wahrgenommen wird, nicht aber mit der Lösung
des Problems in Verbindung gebracht wird, da deren Lösungsansätze vom
Großteil der Bevölkerung als nicht praktikabel gewertet werden. So ist für die
meisten Deutschen der Übergang zu einer vegetarischen Lebensweise keine
ernstzunehmende Antwort auf Missstände in der Tierhaltung. Darüber hinaus ist
diese Form der Kritik nur bedingt geeignet, um komplexe Themen zu kommunizieren
wenn der „Angeklagte“ den Forderungen PETAs nachkommt. Akzeptiert der
Geflügelhalter die von PETA gewünschten Haltungsbedingungen, lässt sich nur
schwer eine nachfolgende Debatte über Massentierhaltung anstoßen. Damit stößt diese Strategie an ihre Grenzen.[5]
Tierrecht = Lifestyle
Es
ist also nachvollziehbar, dass PETA irgendwann begann, sich Gedanken darüber zu
machen, auf welche Art und Weise ihr Anliegen noch unters Volk gebracht werden
kann. Die Antwort war schnell gefunden: Seit den 1990er Jahren begann PETA Tierschutz als Lifestyle zu propagieren.[6]
Das zuvor muffige PETA-Magazin mutierte zur Hochglanzzeitschrift,
Kooperationen mit Prominenten wie
Schauspielern, Musikern und Models wurden geschlossen, vegetarische Ernährung
wurde mit Attraktivität und Gesundheit
gleichgesetzt.
Bildrechte: PETA |
Die
Vorteile dieser Taktik liegen auf der Hand: Zielgruppen und Medien werden
erreicht, die eigentlich kein Interesse an Tierschutzthemen haben (z.B.
Modezeitschriften oder Illustrierte), aber wenn die Inhalte von (einer
halbnackten) Pamela Anderson beworben werden, dann lohnt es sich doch, die
Kampagne abzudrucken oder der Anzeige Aufmerksamkeit zu schenken. Da außerdem
nun nicht mehr die bösen Gegner sonder die Konsumenten
mit Mittelpunkt stehen, können diese viel direkter
angesprochen werden. Ändere dein Verhalten! Werde Vegetarier!
Boykottiere Pelz! Noch immer werden dazu schockierende Tierbilder eingesetzt,
doch die Vorbildfunktion von Prominenten
aktiviert auch die hartgesottensten Fleischesser, die bei dem Thema zuvor
automatisch auf Durchzug geschaltet hatten, sich mit der Thematik
auseinanderzusetzen. Das Riskante an dieser lifestyleorientierten Strategie ist
die Gleichsetzung von Vegetarismus, gesundem
Lebensstil und Attraktivität. Das individuelle Wohl und die Schönheit
des eigenen Körpers werden in den Fokus gerückt; die Kernidee
Tierleid zu verhindern, verliert ihre Bedeutung. Problematisch ist
außerdem, dass die Vorbildfunktion der Prominenten
auch im umgekehrten Fall funktioniert. Wenn eine jahrelang
Vegetarismus-predigende Schauspielerin nach 5 Jahren doch wieder auf den
Fleischgeschmack gekommen ist und herzhaft in einen Hamburger beißt, so wird
auch dies unausweichlich mediale Berichterstattung nach sich ziehen (inklusive
Glaubwürdigkeitsverlust PETAs).
Das Prinzip „Sex Sells“
funktioniert immer
Immer
wieder zeigen die Kampagnen PETAs nackte oder
halbnackte Frauen, die Bildgestaltung erinnert an Softpornos und die
Plakatslogans enthalten sexuelle Anspielungen.
Um ein Beispiel zu bringen:
Bildrechte: PETA |
Beispielhaft
hierfür ist auch die aktuellste Kampagne „My boyfriend went vegan“ zu nennen,
in welcher propagiert wird, dass ein veganer Lebensstil die männliche Potenz
derart steigere, dass die abendlichen Kuschelstunden in wahren „Gewaltorgien“
enden, sodass die Frau (die derartigen Wildheiten natürlich schon ihr Leben
lang entgegenfieberte, kuscheln wird überbewertet) anschließend Halskrausen und
Gehhilfen nötig hat.
Ingrid
Newkirk, die Gründerin PETAs, verteidigt diese Strategie als vollkommen
legitim, da somit die öffentliche Aufmerksamkeit
erregt werde und alle Models, Schauspieler & Co schließlich Freiwillige seien.[7]
Ich finde damit hat sie nicht ganz unrecht, die Funktionalität des Prinzips
„Sex sells“ ist nicht zu verleugnen. Ähnlich wie auch bei der Frage, ob Prominente
für PETA werben sollten, kann auch hier damit argumentiert werden, dass somit
Medien und Personengruppen erreicht werden, die sich normalerweise keinen Kopf
um die Problematiken „Tierleid“ und „Vegetarismus“ machen würden. Als sehr
problematisch empfinde ich es aber, dass somit Geschlechterstereotype
und gängige Schönheitsideale reproduziert und propagiert werden. Frauen
lieben ausschließlich harten Sex. Frauen haben gertenschlank und langbeinig zu
sein. Frauen müssen mit ihren Bambi-Augen klimpern, sich jederzeit vollkommen
(un!)natürlich lasziv räkeln (auch wenn sie beim Abwaschen sind, besonders
dann) und dabei gekonnt die lange Haarmähne schwenken. Erst dann sind sie
hübsch und begehrenswert. Darüber hinaus kann PETA vorgeworfen werden, dass das
Thema Tierrecht neben der sexualisierten Werbung an Bedeutung verliert. Das
ursprüngliche Anliegen gerät zur Bagatelle während diese Form der Werbung die „Marke PETA“ ins Gespräch bringt, nicht aber deren
Inhalte. Der beim Betrachten der Plakate stellt sich bei mir ein
gewisser schaler Geschmack ein, der wohl auf die mit sexistischer Werbung
assoziierte Inkompetenz des dahinterstehenden Unternehmens zurückzuführen ist.
Mir drängt sich spontan die Frage auf, ob derartige Unternehmen keine
seriöseren Wege finden konnten, um ihre Inhalte in die Köpfe der Menschen zu
bringen. Denn nackte Frauen auf Werbeplakaten wirken auf mich –aller gutgemeinten
Intentionen zum Trotz – einfach in jedem Falle billig,
irgendwie nach dem Motto: „Ich bin zu faul mir Gedanken zu machen, wie ich
meine Werbung ansprechend gestalten kann. Ich kleb einfach eine nackte Frau auf
mein Produkt. Das läuft immer.“
In
diesem Sinne:
„Bettina, zieh
dir bitte etwas an!“ – Fettes Brot
Literatur:
Adams, Carol J.
(2003): The pornography of meat. New York: Continuum International Publishing
Group.
Heubach,
Andrea (2011): Der Fleischvergleich – Sexismuskritik in der Tierrechts-/ Tierbefreiungsbewegung.
In: Chimaira Arbeitskreis für Human-Animal Studies (Hrsg.): Human-Animal
Studies – Über die gesellschaftliche Natur von Mensch-Tier-Verhältnissen.
Bielefeld: Transcript Verlag, S.243–277.
Maneesha,
Deckha (2008): Disturbing images. Peta and the Feminist Ethics of
Animal Advocacy. In: Ethics
& the Environment, 13. Jahrgang, Heft 2, S.35–76.
Voss,
Kathrin (2012): Kontrovers und sexy – Kampagnen der Tierrechtsorganisation
PETA. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 62. Jahrgang, Heft 8-9/2012, S.41–47.
Wittrock,
Olaf; Zavelberg, Sebastian (2012): Die Radikalen. In: prmagazin, 43. Jahrgang,
Heft 9, S. 30–35.
Internet:
Craft, Nikki
(2011): PETA – Where only women are treated like meat. Internet: http://nostatusquo.com/ACLU/PETA/peta.html
[Zugriff am 09.01.2013]
PETA (2012)a:
Jahresbericht 2011. Internet: http://www.peta.de/web/home.cfml?viewfile=1&fn=1077326E11D36&mod=view&execute=1 [Zugriff am 02.01.2013]
PETA (2012)b:
Kritikpunkt: „Spenden helfen Tieren nicht wirklich“. Internet http://www.peta.de/web/home.cfm?p=3838
[Zugriff am 27.12.2012]
Sehr toll und kritisch geschrieben, Amarante!
AntwortenLöschenDu bist so lieb, Karla! :)
AntwortenLöschenÜber PETA und die neue SOKO Terischutz wird auf Facebook unter heftig diskutiert. https://www.facebook.com/groups/tierschutzmoney/
AntwortenLöschenAuch die TAZ brachte jüngst einen aufschlussreichen Artikel. Liest man die Kommentare aufmerksam durch wird die Enttäuschung über PETA immer grösser. http://www.taz.de/!118346/