Dienstag, 4. Dezember 2012


Warum Veganer täglich die Welt retten, ein kleines bisschen zumindest

Um eine Entscheidung darüber fällen zu können, ob PETA die richtigen Maßnahmen einsetzt bzw. ob diese gerechtfertigt sind, möchte ich nun erst mal grundlegend klären, ob die zugrundeliegende Motivation nachvollziehbar ist und auf handfesten Tatsachen basiert. Sind Tierversuche wirklich überflüssig? Was passiert in Massentierhaltungen und Pelzfabriken? Und sind Veganer tatsächlich die Superhelden des Alltags? In einem Post lassen sich nicht alle Konfliktfelder betrachten, die PETA anprangert, aber zumindest mit einem ausgewählten möchte ich mich nun auseinandersetzen: dem Vegetarismus bzw. Veganismus.

Die Illusion vom fröhlichen Bauernhof

Die Überlegungen, die hinter PETAs Aufruf stecken, die eigene Ernährung vollkommen fleischfrei, bestenfalls sogar ausschließlich pflanzlich zu gestalten, decken eine unglaubliche Bandbreite an Themen ab. Ausgehend vom Grundgedanken, dass jedes Lebewesen die gleichen Rechte haben sollte, basiert die Argumentation zum einen darauf, dass Tieren somit – einfach formuliert – ein leidfreies Leben ermöglicht wird. Offensichtlichstes Indiz dafür ist die Überflüssigmachung von Massentierhaltung. Um nur ein paar Zahlen zu nennen: In Deutschland werden täglich ca. 1 Million „Nutztiere“ getötet, 400 Millionen Tiere pro Jahr.[1] Dass ein Großteil davon sein Leben nicht glücklich über die Weide hopsend verbringt, dürfte jedem schon einmal zu Ohren gekommen sein. Folgendes Video, das PETA heimlich in einer Kaninchenzucht aufnahm, zeigt exemplarisch die verheerenden Zustände und sind meiner Ansicht nach ein Beweis dafür, dass das weite Feld der Tierhaltung zu Recht von PETA angeprangert wird.

      

Auch mit der Massentierhaltung einhergehende Grausamkeiten wie zum Beispiel die unbetäubte Schnabelkappung bei Hühnern oder die systematische Tötung männlicher Küken mangels gewinnbringender Ei-Lege-Fähigkeit sind kritikwürdig.[2] An diesem Punkt beginne ich außerdem die Forderung PETAs nach einer rechtlichen Gleichstellung von Mensch und Tier zu begreifen. Denn woher nimmt der Mensch die Rechtfertigung, Tiere als untergeordnet einzustufen, sie ihrer Freiheit zu berauben,  einzupferchen, zu misshandeln und schließlich zu töten? Doch der Versuch diese Frage zu beantworten, würde meinen Post sprengen.

Tu dir selbst was Gutes!

Die oft miserablen Zustände in Massentierhaltungen führen dazu, dass sich die Tiere oft verletzten oder unter Krankheiten leiden. Bei nahezu jedem Tier ist deshalb der Einsatz von Antibiotika und anderen Medikamenten notwendig, die sich logischerweise somit im Fleisch, Eiern oder der Milch zu finden sind. Zwar gibt es einen gesetzlichen Grenzwert für Antibiotikarückstände in tierischen Produkten, dennoch „führt eine ständige Aufnahme von kleinen Mengen an Antibiotika dazu, dass diejenigen Bakterien, die man abtöten möchte, dagegen Resistenzen bilden können. Die entsprechenden Antibiotika verlieren dadurch mit der Zeit ihre Wirkung.[3]“ Das bedeutet: Erkrankt ein Mensch, kann es dazu kommen, dass erst einige Medikamente durchprobiert werden müssen bis irgendwann eines gefunden ist, gegen das noch keine Resistenz entwickelt wurde. Immer stärkere Medikamente sind also notwendig um Erkrankungen noch Herr zu werden. Nur ist diese Entwicklung ja nicht ins Unendliche weiterführbar, weshalb sich die Frage stellt, was passiert, wenn irgendwann selbst die stärksten Antibiotika nicht mehr anschlagen. Aber auch das führt zu weit, zurück zur Frage, was Vegetarismus mit dem menschlichen Körper anstellt.
Als gesichert gilt heute: „Das Risiko für ernährungsbedingte Krankheiten wie koronare Herzerkrankungen, Herzinfarkt, Gicht, Übergewicht und verschiedene Krebsarten sinkt teilweise deutlich. Die Lebenserwartung von Vegetariern liegt durchschnittlich über der von Gemischtköstlern, wobei berücksichtigt werden muß, daß sich Vegetarier außer in der Ernährung auch in anderen Lebensbereichen gesundheitsbewußter verhalten, etwa hinsichtlich der Häufigkeit von körperlicher Aktivität und des Konsums von Genußmitteln.“[4]

Umwelt und Klimawandel

Die Fakten, die aus Sicht der Umwelt und des Klimas für Vegetarismus und Veganismus sprechen, liegen eigentlich auf der Hand. Überspitzt formuliert: Die Kuh frisst ihr Leben lang Körner bis sie nach Jahren groß genug ist, um auf unseren Tellern zu liegen. Essen wir die Körner direkt selbst, entfällt die aufwendige Haltung und Fütterung und wir sparen jede Menge Zeit, CO² und viel Energie. Um ein wenig konkreter zu werden: Der Tierproduktionssektor nimmt insgesamt rund 28 % der gesamten globalen Treibhausgase ein. Im Vergleich dazu: 14 % werden vom Verkehr, 21 % von der gesamten globalen Energieproduktion ausgestoßen.[5] Addiert man Fleisch-, Milch- und Eierkonsum ergeben sich sogar 51% Prozent der weltweit von Menschen ausgelösten Treibhausgasemissionen.[6] Insgesamt beansprucht die Tierproduktion 30 % der gesamten Landoberfläche der Erde. Seit dem Jahr 1800 hat sich die Fläche somit versechsfacht. 33 % der weltweiten Ackerflächen dienen ausschließlich dem Futtermittelanbau.[7] „Die ‚Nutztierindustrie‘ und ihre Produktion von Fleisch und Milch ist durch den Ausstoß von Treibhausgasen wie Methan und CO² noch vor dem Autoverkehr der Hauptverursacher der globalen Erwärmung. Die für das Weltklima wichtigen tropischen Regenwälder werden für Weideflächen der ‚Nutztiere‘ und zum Anbau der Futterpflanzen gerodet.“[8] Die intensive Nutzung der Ackerflächen laugt die Böden aus, sie trocknen aus und versanden.[9] „Weltweit, so schätzen Fachleute, gehen jedes Jahr rund 20 Millionen Hektar Ackerfläche verloren. Der Wunsch nach tierischem Eiweiß ist der Motor dieses Prozesses.“[10] „Durch eine bewusste Ernährung kann demnach auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden: Ein geringer Fleischkonsum, viel Teigwaren und Kartoffeln, ein hoher Anteil von Obst und Gemüse und nicht zu viele bzw. fettarme Milchprodukte tragen zu mehr Klimaschutz bei“[11], fasst auch das Institut für angewandte Ökologie zusammen.

Für Einsteiger der Thematik stellt Sarah Kuttners Bambule-Sendung „Haben Veganer recht?“ einen sehr anregenden Beitrag dar:

       

Sie lässt hierin zahlreiche Parteien zu Wort kommen, unter anderem den „Ethik des Essens“-Autor Harald Lemke. Er ist der Meinung, dass wir durch unser Essverhalten stark auf unsere Umwelt einwirken können, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Außerdem bemängelt er: „Was fehlt, gesamtgesellschaftlich, ist eine Stimmung, eine Lust zur Veränderung, eine Bereitschaft, ethische Einsichten in die Tat umzusetzen. Wenn wir schon über Klimawandel reden, dann würde ich mir wünschen, dass dieses Klima, dieses ethische Klima sich verändert. Und dass wir nicht immer mit Abwehr und Ressentiment auf eine Veränderung reagieren, sondern eher uns gegenseitig dazu ermutigen mit- und auch weiterzumachen.“ Dieser Aussage schließe ich mich an, da es kein seltenes Phänomen ist, dass Menschen, die unreflektiert Fleisch, Pelz, etc. konsumieren, die stimmigen Argumente von Tierschützern und Umweltorganisationen ignorieren oder ablehnen. Und selbst wenn ihnen einmal zugehört wurde, neigt der Mensch leicht zum Verdrängen und Herunterspielen der Fakten, um sich nicht mit der „anstrengenden“ Umstellung der eigenen Lebensweise befassen zu müssen.

Welthunger

Weltweit leiden über 1 Milliarde Menschen an Hunger, pro Tag sterben bis zu 43.000 Kinder am Hungertod. Was diese furchtbaren Zahlen aber besonders erschütternd macht, ist die Tatsache, dass 50 % der weltweiten Getreideernte und rund 90 % der globalen Sojaernte als Futtermittel in der Fleisch- und Milchindustrie eingesetzt wird. Je nach Tierart sind für die Erzeugung von einem Kilo Fleisch bis zu 16 Kilo pflanzlicher Nahrung notwendig.[12] Im Prinzip müsste heutzutage also niemand mehr hungern, es müsste lediglich die pflanzliche Futtermittelproduktion nicht Nutztieren sondern notleidenden Menschen zugeführt werden. „Beispielsweise kam es 1984 nicht deshalb zu einer Hungersnot in Äthiopien, weil die dortige Landwirtschaft keine Nahrungsmittel produziert hat, sondern weil diese Nahrungsmittel nach Europa exportiert und dort an ‚Nutztiere‘ verfüttert wurden.“[13]

Was meinen die Kritiker?

Gern wird von unbelesenen Kritikern infrage gestellt, dass Vegetarier, viel mehr aber noch Veganer, die ausreichende und vielfältige Nährstoffmenge zu sich nehmen, die ein Mensch zum gesunden Leben braucht. Dieser Verdacht des Nährstoffmangels kann problemlos entkräftet werden. Zugegeben, beim Vegetarismus leichter als beim Veganismus, da die richtige körperliche Versorgung bei letzterem fundiertes Ernährungswissen voraussetzt. Folgende Grafik bietet eine kurze einführende, aber gute Übersicht zu dieser Thematik und verdeutlicht, dass Nährstoffe auf vielfältigen Wegen aufgenommen werden können:

Bildrechte: PETA

Das Argument der Kritiker, Fleisch sei so unglaublich lecker und deshalb unverzichtbar, ist zwar nachvollziehbar aber irgendwie ganz schön platt. Sollte der moderne, kluge Mensch schließlich nicht erhaben sein über seine Triebe und solchen Gelüsten ein bewusstes Reflektieren entgegenstellen?
Die Journalistin Bäuerlein führt außerdem ins Feld, dass nicht die Frage ob Schwein oder nicht Schwein die entscheidende sei, sondern vielmehr: Was macht weniger kaputt?[14] Ihrer Meinung nach kann bewusster Fleischkonsum „Umwelt, Gesundheit und Klima mindestens ebenso viel helfen, wie ein Vegetarier oder sogar Veganer.“[15] Kurz gefasst, vertritt sie die These, dass seltener und bewusster Konsum von Fleisch aus anständiger, regionaler Haltung besser sei als der Verzehr von Tofu, dessen Ursprungsprodukt Sojabohne in riesigen Monokulturen in Brasilien angebaut wird.[16] Dies halte ich ebenfalls für einen sehr gut durchdachten und spannenden Ansatz, die eigene Ernährung zu gestalten. Nur besteht ein nicht zu ignorierender Schwachpunkt darin, dass die moralische Komponente ausgeblendet wird. Dürfen wir Tiere überhaupt töten? Nicht zuletzt stört es mich, dass auch die direkte Konfrontation zwischen Mensch und Tier ausgeblendet wird. Oder wer würde lauthals JA rufen, wenn es darum geht die Keule für’s Abendessen höchstpersönlich auf der Weide zu erdolchen? „Das als ‚schmutzig‘ angesehene Geschäft des Tötens wird anderen überlassen und verdrängt.“[17] Aber wenn alle überzeugten Fleischesser auf regionale (teure) Bioprodukte zurückgriffen anstatt 99 Cent für ein Kilo Hühnerbrust zu zahlen, würde ich diese Idee als sehr guten Mittelweg gelten lassen.

Zweites Fazit

Nach intensiver Recherche muss ich die Frage, ob Fleischkonsum tatsächlich so „schädlich“ sei wie von PETA dargestellt, nun mit einem klaren JA beantworten. Ungerechtes Tierleid, Umweltbelastung, Verschwendung und Gesundheitsbelastung sind knüppelharte Tatsachen, gar keine andere Wahl lassen, als den eigenen Fleischkonsum bewusster zu hinterfragen und gestalten. Ob nun gleich alle Menschen sofort Vegetarier werden müssen, sei dahingestellt, aber der sparsame Verzehr von regionalen, teureren (sprich hoffentlich artgerecht gehaltenen) Fleischprodukten scheint erst mal ein guter Schritt in die richtige Richtung. Ich bin aber eindeutig davon überzeugt, dass Vegetarismus und Veganismus wunderbare Wege sind, seinen kleinen, persönlichen Beitrag zur Verbesserung der Gesellschaft zu leisten und der Umwelt Gutes zu tun. Und um diese Botschaft in die Köpfe der Menschen zu bringen, darf PETA meinetwegen gern auf krasse Aktionen zurückgreifen. Irgendwie muss die reizüberflutete Menschheit ja aufgerüttelt werden. Und mit einem derart hehren Ziel scheinen mir ein paar nackte Frauen (mehr) auf öffentlichen Plakatwänden ein vertretbarer Preis.

Zusammenfassend führt folgende Übersicht wichtige Fakten (zugegeben, etwas populistisch, aber nagut) noch einmal vor Augen:

Bildrechte: PETA
Einen interessanten, zusammenfassenden Abschluss dieser Auseinandersetzung stellt auch folgender Podcast von Detektor FM dar. Der Musiker Jens Friebe fasst hierin nochmal auf gut verständliche Art und Weise wichtige Erkenntnisse zusammen, die auch in diesem Post stecken. Hört mal rein.



Jens Friebe: “Mit mehr Vegetariern ginge es der Welt besser”



Literatur

Bäuerlein, Theresa (2011): Fleisch essen, Tiere lieben. Wo Vegetarier sich irren und was Fleischesser besser machen können. München: Ludwig Verlag.
Engeln, Henning; Hausschild, Jana; Harf, Rainer (2012): Die Industrie, die uns satt macht. In: GEOkompakt Gesunde Ernährung, Februar 2012, Nr. 30, S.66–85.
Henrich, Ernst Walter (2012): Vegan. Eine kurze Information über die gesündeste Ernährung und ihre positiven Auswirkungen auf Klima- und Umweltschutz, Tier- und Menschenrechte. O.O.: O.V.
Herzog, Hal (2012): Wir streicheln und wir essen sie. Unser paradoxes Verhältnis zu Tieren. München: Carl Hanser Verlag.
Leitzmann, Claus (2001): Vegetarismus. Grundlagen, Vorteile, Risiken. München: C.H.Beck Verlag.
Pierschel, Marc (2010): Vegan! Vegane Lebensweise für alle. Münster: compassion media.
Rinas, Bernd-Udo (2012): Veganismus. Postmoderner Anarchismus bei Jugendlichen? Berlin: Archiv der Jugendkulturen Verlag.
Schlatzer, Martin (2010): Tierproduktion und Klimawandel. Ein wissenschaftlicher Diskurs zum Einfluss der Ernährung auf Umwelt und Klima. Wien: Lit Verlag.
Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus (2007): Ökologische Folgen des Fleischkonsums. Neukirch-Egnach: o.V.
Singer, Peter (1994): Praktische Ethik. 2. Auflage. Stuttgart: Reclam Verlag.
Streck, Michael; Draf, Stephan (2010): Der Preis ist billig, aber das Fleisch ist schwach. In: Stern. 27.05.2010, Nr. 22, S. 32ff.
Wendt, Eckard (2001): Ist Ernährung möglich, ohne zu töten? In: Linnemann, Manuela; Schorcht, Claudia (Hrsg.): Vegetarismus. Zur Geschichte und Zukunft eines Lebensweise. Band 4: Tierrechte – Menschenpflichten. Erlangen: Harald Fischer Verlag.

Internet

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2008): BMELV-Bericht zum Klimaschutz im Bereich Land- und Forstwirtschaft. Internet: http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Landwirtschaft/Klima-und-Umwelt/Klimaschutz/BerichtKlimaschutz.html#doc376748bodyText21 [Zugriff am 27.11.2012].
Institut für angewandte Ökologie (2007): Treibhausgasemissionen durch Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln. Internet: http://www.oeko.de/oekodoc/328/2007-011-de.pdf [Zugriff am 27.11.2012].
NDR Fernsehen (2012): Wortlos: Millionenfaches Töten von Küken. Internet: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama_3/kuecken101.html [Zugriff am 30.11.2012].
PETA (2012): Veganes Leben. Internet: www.goveggie.de [Zugriff am 26.11.2012].
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (2010): Klimaschutz durch bewusste Ernährung. Internet: http://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/archiv/2010/klimaschutz-durch-bewusste-ernaehrung [Zugriff am 27.11.2012.]
Tierschutz Pressedienst (2012): Statistische Zahlen. Internet: http://www.tierschutz-pressedienst.de/Seiten/Tipps/Seiten/indexg.htm [Zugriff am 30.11.2012]
UN Food and Agriculture Organisation (2006): livestock’s long shadow. Internet: ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/010/A0701E/A0701E00.pdf [Zugriff am 27.11.2012].
Universität Jena (2007): Ergebnisse der Vegetarierstudie. Internet: http://www.vegetarierstudie.uni-jena.de/ [Zugriff am 30.11.2012]
WorldWatch Institut (2009):Livestock and Climate Change. Internet: http://www.worldwatch.org/files/pdf/Livestock%20and%20Climate%20Change.pdf [Zugriff am 04.12.2012].



[1] Vgl. Tierschutz Pressedienst (2012).
[2] Vgl. NDR Fernsehen (2012).
[3] Schweizerische Vereinigung für Vegetarismus (2007): S.9.
[4] Leitzmann (2001): S.25.
[5] Vgl. Schlatzer (2010): S.60ff.
[6] Vgl. WorldWatch Institute (2009).
[7] Vgl. Steinfeld (2006), zitiert nach Schlatzer (2010): S.72ff.
[8] Henrich (2012): S.35f.
[9] Vgl. Engeln; Hausschild; Harf (2012): S.75f.
[10] Engeln; Hausschild; Harf (2012): S.75.
[11] Institut für angewandte Ökologie (2007): S.12.
[12] Vgl. Henrich (2012): S.14.
[13] Henrich (2012): S.15.
[14] Vgl. Bäuerlein (2011): S.16.
[15] Bäuerlein (2011): S.16.
[16] Vgl. Bäuerlein (2011): S.23ff.
[17] Wendt (2001): S.143.


Und zum Schluss noch eine kleine Spielerei :)
Welche Auswirkungen hat dein Ernährungsverhalten? Mach hier den Test:

Freitag, 9. November 2012

Eine Ratte ist ein Schwein ist ein Hund ist ein Junge

Um ein einheitliches Basiswissen und Grundverständnis für die Inhalte dieses Blog zu schaffen, gehe ich zunächst auf die wichtigsten und fundamentalen Eckpunkte des Diskurses ein: Was ist eigentlich PETA? Warum schleichen ihre Mitglieder nachts auf Bauernhöfe, um dort zu filmen? Dürfen sie das überhaupt? Und wer regt sich denn da so lauthals drüber auf?

PETAs Philosophie

PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) ist eine 1980 in den USA gegründete Tierrechtsorganisation, die überzeugt ist, dass Menschen nicht das Recht besitzen, Tiere in irgendeiner Form auszubeuten, zu misshandeln oder zu verwerten.[1] Denn jedes Lebewesen „mit dem Willen zum Leben, [hat] ein Recht auf ein Dasein ohne Schmerz und Leid“[2]. Die PETA-Gründerin Ingrid Newkirk äußerte 1983:

„Tierbefreier bekämpfen die Sonderrolle des menschlichen Tieres, es gibt keine rationale Basis dafür, zu behaupten, der Mensch hätte Sonderrechte. Eine Ratte ist ein Schwein ist ein Hund ist ein Junge. Sie sind alle Säugetiere.“[3]

So weit, so ungewöhnlich. Aber irgendwie nachvollziehbar. Denn wen schüttelt es bitte nicht, angesichts von Bildern, die zusammengepferchte Legebatteriehühner oder Affen zeigen, denen für Experimente Metallklammern in die Köpfchen gerammt wurden? Weltweit lässt sich allerorten Tierleid entdecken, die Liste der Konfliktfelder bzw. Punkte, die PETA kritisiert, ist sehr lang:
  • Massentierhaltung, Tiertransporte, Schlachthöfe und fleischverarbeitende Betriebe
  • Tierversuche
  • Pelztiere
  • Jagd und Angeln
  • Zoos und Tiergärten
  • Tierzirkus, Schaustellerei, Sport, Shows, Brauchtumsveranstaltungen und
  • Fleischessen versus Vegetarismus bzw. Veganismus[4]
PETA hat sich das hehre Ziel auf die Fahnen geschrieben, durch Aufdecken von Tierquälerei, Aufklärung der Öffentlichkeit und Veränderung der Lebensweise, jedem Tier zu einem besseren Leben zu verhelfen.[5]

Provokation und Protest

Werfen wir nun einen Blick auf die Arbeitsmethoden, die Kritikern, trotz PETAs ethisch nachvollziehbaren Grundgedanken, immer wieder neues Futter für Angriffe bieten. Wichtigstes Mittel, um die öffentliche Aufmerksamkeit für Themen zu gewinnen, die im Alltag für gewöhnlich untergehen, stellen für PETA radikal medienwirksame und provokative Kampagnen dar, die sich in ihrer Bandbreite von Plakaten, Filmen bis hin zu Spots und Aufklärungsaktionen erstrecken.  So wurde dem Fleischkonsumenten bei der Aktion „Esst die Wale“ der Walverzehr nahelegt, um unzähligen Hühner, Schweinen, etc. das Leben zu retten. Die Kampagne „Holocaust auf ihrem Teller“ setzte KZ-Häftlinge und Tiere in Massenhaltung gleich. Regelmäßig werben (halb-)nackte Prominente unter dem Slogan „Lieber nackt als im Pelz“ für PETA oder präsentieren gehäutete Tiere mit dem Claim „Das ist der Rest von ihrem Pelz“. PETA liebt die Provokation. Alles wird versucht, um den gelangweilten und von dramatischen Nachrichtenbildern abgestumpften Konsumenten aus seinem Dämmerzustand zu aufzuschrecken.

                                                 
                                                                   Fotorechte: PETA

Um Beweise für allzu oft anzutreffende Tierquälerei zu bekommen und die Missstände anzuklagen, schleichen PETA-Mitglieder heimlich in Tierlabore, Schlachthöfe, Bauernhöfe, etc. und filmen die vorgefundenen Grausamkeiten. Gern wird auch auf Filmmaterial von radikaleren Tierrechts- und/oder befreiungsgruppen wie der Animal Liberation Front (ALF) zurückgegriffen. Provokante Protestaktionen, wie etwa in Fleischschalen verpackte, nackte Menschen, zählen außerdem zum Standard-Programm PETAs. Über zahlreiche gestartete Petitionen versucht PETA über die Politik Veränderungen zu bewirken. Alle Filme, Plakate, Kampagnen sind sowohl offline als auch online jederzeit präsent. Und damit kommen wir zum – meiner Meinung nach – erfolgsstiftenden Moment PETAs: der gezielten Generierung und Nutzung von Medienaufmerksamkeit. PETA weiß, wie und wo aufmerksamkeitserregende Bilder zu bekommen sind und manövriert sich bewusst und mehr oder weniger stilsicher durch den Medienwirbel. Gerade in der jungen Generation senkt der zusätzliche flächendeckende Einsatz von Social-Media-Anwendungen die Hemmschwelle für den Erstkontakt mit den zunächst neuen und fremden Weltansichten.

Zwar besteht in Deutschland seit 1972 ein gültiges Tierschutzgesetz, das – grob zusammengefasst – die Leidensminimierung bzw. -freiheit von Tieren gewährleisten soll, PETAs Ansichten tierleidfreien Lebens gehen aber weit über die Reglementierungen des Gesetzes hinaus. Um das ihrer Ansicht nach himmelschreiende Unrecht zu bekämpfen, scheuen sich PETA-Mitglieder nicht, geltende Gesetze und Maximen des harmonischen gesellschaftlichen Miteinanders zu überschreiten und mit radikalen Gruppierungen wie der Animal Liberation Front (ALF) zu kooperieren, die ihre Ansichten gewaltsam durchsetzen. Das ALF-Mitglied Kevin Kroemmer argumentiert wie folgt:

„Jeder, der sich für Tiere einsetzt oder versucht, etwas für Tiere zu verändern und dabei auf legale Methoden zurückgreift, wird merken, dass man sehr schnell an Grenzen stößt, weil mit Auflagen Proteste eingedämmt werden, dass vor gewissen Läden nicht demonstriert werden darf, dass man im legalen Rahmen nur sehr, sehr beschränkte Mittel hat.“[6]

Die Gegner

Hausfriedensbruch, Einbruch oder Sachbeschädigung werden also bewusst in Kauf genommen, um Tiere zu befreien, brisantes Filmmaterial aufzunehmen und somit öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen.[7] Dieser Balanceakt zwischen Idealismus und Illegalität, kombiniert mit provokanten Aktionen, sorgt dafür, dass sich PETA nicht nur Freunde macht, das ist klar. Zu den Gegnern PETAs zählen verständlicherweise Großkonzerne wie etwa McDonalds, Kentucky Fried Chicken oder Burger King, Schlachthöfe, aber auch kleinere, regionale Betriebe, Zirkusse, und viele mehr. Sie alle sind regelmäßig die Zielscheibe von PETAs Kritik. Sie fürchten Umsatzeinbußen oder Schließungen infolge der Negativschlagzeilen sowie härtere gesetzliche Reglementierungen, die bisherige Arbeitsabläufe verteuern oder erschweren. Abgesehen davon, halten aber auch viele „normale Menschen“ das Vorgehen PETAs für zu rigoros, für übertrieben und verstörend; nicht selten fällt der Begriff „Spinner“. Kritiker werfen PETA zudem Populismus vor. Nackte Frauen auf Plakaten und provokante Kampagnen dienen ihrer Meinung nach nicht dem Schutz der Tiere, sondern ausschließlich dem eigenen Zweck. „Pietätslose“ Kampagnen wie „Holocaust auf ihrem Teller“ sollen um jeden Preis Aufmerksamkeit erzielen, Anstand und Gefühle Betroffener werden missachtet, schimpfen die Gegner. 

                            
                                                       Fotorechte: PETA

Zusammenfassend betrachtet, sieht die Liste der Hauptanklagepunkte so aus:
  •  zu radikal, zu extrem, dogmatisch
  • PETA tötet in eigenen Tierheimen selbst Tiere
  • die Belange der Tiere stehen nicht im Vordergrund
  • Unterstützung illegaler Gewalttäter
  • für Vegetarismus/Veganismus werbende Prominente leben selbst nicht nach dieser Maxime
  • PETAs Aktionen zielen oft bewusst auf Kinder (Gehirnwäsche)
  • PETA setzt sich nicht für alle Tiere ein
  • übertriebene PR-Aktionen (dramatisierend, populistisch, anstandslos)
  • Spenden helfen den Tieren nicht direkt
  • eine vollständige Gleichsetzung von Mensch und Tier ist unmöglich

"Tiere sind zum Schlachten da" versus "Tiere werden ausgenutzt"

Auch die Leipziger Volkszeitung ging im Sommer 2010 der Frage nach ob PETAs provokante Aktionen innerhalb der Bevölkerung Zustimmung finden. Damals saß in der Leipziger Innenstadt eine (kunst-)blutverschmierte, pelzbehängte Frau in einem engen Drahtkäfig und harrte dort mehrere Stunden in glühender Sommerhitze. PETA wollte mit dieser Aktion ein Zeichen gegen Pelzkleidung setzen. Die Reaktionen reichen von "Tiere sind nun einmal zum Schlachten da." über "Ich finde das gut, weil ich es einfach scheiße finde, dass man Lebewesen so ausnutzt." bis hin zu resignierten Aussagen wie "Die Gesellschaft interessiert sich nicht so dafür. Ich glaube, dass die Leute nur vorbeigehen und gucken und das war's."

                              

Mein Bauchgefühl sagt mir, dass der Gedanke stimmt, dass derartige Aktionen nur von den Menschen wahrgenommen werden, die sich bereits aktiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Die, die es wirklich ansprechen sollen, weigern sich den Argumenten der Tierrechtler Gehör zu schenken und durch eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema zu einer neuen Lebensweise zu gelangen. Denn wie viel leichter ist es, derartig drastische Aktionen mit der Bemerkung "Spinner" abzutun und sich den sonnigen Sonntagnachmittag nicht durch intensives Nachdenken vermiesen zu lassen.

Erstes Fazit

Was bei der Beschäftigung mit PETA zu allererst ins Auge fällt, ist die eindeutige Fokussierung sämtlicher Aktionen darauf, größeres öffentliches Bewusstsein für die Problematik des Tierleids in all seinen Facetten zu schaffen. PETA möchte die Menschen aufrütteln, schockieren, sie zwingen sich mit ihrer Lebensweise und den Missständen, unter denen viele Tiere zu leiden haben, auseinanderzusetzen. Ich musste eindeutig genauer recherchieren, als ich erfahren wollte, was konkret PETA gegen das Tierleid unternimmt. Im Gegensatz zu Organisationen wie Greenpeace, bei denen mein erstes gedankliches Bild ein auf dem Meer schippernder Walschützer in gelber Regenjacke ist, der Walfängerboote kapert, verbinde ich mit PETA zunächst lediglich schrillen Protest, aber keine aktive Tierrettung. Denn auch die Tierbefreiungsaktionen, deren Videos auf der PETA-Homepage gezeigt werden, stammen nicht von PETA selbst. In diesem Punkt schließe ich mich den Kritikern zunächst an, die bemängeln, dass Spenden den Tieren nicht direkt helfen. Aber indirekte Hilfe ist ja auch schon ein Schritt in die richtige Richtung. 

Bei der ersten Auseinandersetzung mit meiner Leitfrage, ob der Zweck die Mittel heilige, stelle ich schnell fest, dass sich deren Beantwortung als sehr kniffelig erweist. Einbruch und Sachbeschädigung sind gesetzlich verboten und damit illegale Straftaten. Und auch wenn PETA diese nicht selbst begeht, so unterstützt sie diese immerhin, indem Videos davon online gestellt werden. Doch was ist schon eine zertrümmerte Eingangstür gegen ein gerettetes Hasenleben? Noch schwerer fällt die Beurteilung provokativer Kampagnen. Ist es korrekt, dass nackte Frauen - sei es mit Salatblättern bekleidet oder in Kunstblut badend - für Tierrechte werben? Wo liegt die Grenze zwischen Pietätlosigkeit und Notwendigkeit, um ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen? Es erfordert noch einiges Grübeln und Recherchieren, um eine vage Antwort auf diese Fragen geben zu können.


Literatur

Ach, Johann S. (2009): Transgene Tiere. Anmerkungen zur Herstellung, Nutzung und Haltung transgener Tiere aus tierethischer Perspektive. In: Ach, Johann S.; Stephany, Martina (Hrsg.): Die Frage nach dem Tier. Interdisziplinäre Perspektiven auf das Mensch-Tier-Verhältnis. Berlin: Lit Verlag Dr. W. Hopf, S.33–46. 

Baranzke, Heinz (2009): Sind alle Tiere gleich? Vom reduktionistischen Antispeziesismus zur selbstreflexiven Verantwortungsethik. In: Ach, Johann S.; Stephany, Martina (Hrsg.): Die Frage nach dem Tier. Interdisziplinäre Perspektiven auf das Mensch-Tier-Verhältnis. Berlin: Lit Verlag Dr. W. Hopf, S.17–32. 

      Birnbacher, Dieter (2009): Haben Tiere Rechte? In: Ach, Johann S.; Stephany, Martina (Hrsg.): Die Frage nach dem Tier. Interdisziplinäre Perspektiven auf das Mensch-Tier-Verhältnis. Berlin: Lit Verlag Dr. W. Hopf, S.47–64. 

  Bleibohm, Gunter; Hoos, Harald (2009): Totentanz der Tiere. Schonungslose Bemerkungen zu Tierelend, Jagd und Kirche. Saarbrücken: Geistreich Verlag. 

      Harringer, Susanna (2002): Manche Tiere sind gleicher. Konzepte von Tierverschonung, Tierbefreiung, Tierrecht und Tierverteidigung und ihr politischer Anspruch. Wien; Mühlheim/Ruhr: Guthmann-Peterson. 

     Hemprich, Georg (2005): Jagd. Über den Umgang zivilisierter Menschen mit der Natur. Eine Gegenrede. In: Berliner TierrechtsAktion (Hrsg.): Befreiung hört nicht beim Menschen auf. Reiskirchen: SeitenHieb Verlag, S.20–36.

       John, Jörg (2007): Tierrecht. Dresden: Saxonia Verlag. 

     Kaplan, Helmut F. (2009): Ich esse meine Freunde nicht. Oder: Warum unser Umgang  mit Tieren falsch ist. Berlin: trafo Wissenschaftsverlag. 

     Kroemmer, Kevin (2005): Actions Speak Louder – Direct Action for Animal Liberation. In: Berliner TierrechtsAktion (Hrsg.): Befreiung hört nicht beim Menschen auf. Reiskirchen: SeitenHieb Verlag, S.77–92. 

      Rippe, Klaus Peter (2011): Tierschützer. Ihre Erscheinungsformen, Handlungsweisen und ihr Ringen um Integrität. In: Bolliger, Gieri; Goetschel, Antoine F.; Rehbinder, Manfred (Hrsg.): Psychologische Aspekte zum Tier im Recht. Band 11: Schriften zur Rechtspsychologie. Bern: Strämpfli Verlag, S.133–152. 

   Singer, Peter (1996): Animal Liberation. Die Befreiung der Tiere. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.




Internetquellen

  Derbyshire, Stuart (2001):A timeline of reaction. Internet:   www.spiked-online.com/Articles/0000000054FF.htm [Zugriff am 06.11.2012].
 -   Ullman, Harald (2001): Esst Wale! Internet: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-19752776.html [Zugriff am 06.11.2012]




[1] Vgl. PETA (2012).
[2] PETA (2012).
[3] Derbyshire (2001).
[4] Vgl. Harringer (2002): S.51ff.
[5] Vgl. PETA (2012).
[6] Kroemmer (2005): S.77.
[7] Vgl. Kroemmer (2005): S.77.