Eine Ratte ist ein
Schwein ist ein Hund ist ein Junge
Um ein einheitliches
Basiswissen und Grundverständnis für die Inhalte dieses Blog zu schaffen, gehe
ich zunächst auf die wichtigsten und fundamentalen Eckpunkte des Diskurses ein:
Was ist eigentlich PETA? Warum schleichen ihre Mitglieder nachts auf
Bauernhöfe, um dort zu filmen? Dürfen sie das überhaupt? Und wer regt sich denn
da so lauthals drüber auf?
PETAs Philosophie
PETA (People for the Ethical Treatment of
Animals) ist eine 1980 in den USA gegründete Tierrechtsorganisation, die überzeugt
ist, dass Menschen nicht das Recht besitzen, Tiere in irgendeiner Form
auszubeuten, zu misshandeln oder zu verwerten.[1]
Denn jedes Lebewesen „mit dem Willen zum Leben, [hat] ein Recht auf ein Dasein
ohne Schmerz und Leid“[2].
Die PETA-Gründerin Ingrid Newkirk äußerte 1983:
„Tierbefreier bekämpfen die Sonderrolle des menschlichen
Tieres, es gibt keine rationale Basis dafür, zu behaupten, der Mensch hätte
Sonderrechte. Eine Ratte ist ein Schwein ist ein Hund ist ein Junge. Sie sind
alle Säugetiere.“[3]
So weit, so
ungewöhnlich. Aber irgendwie nachvollziehbar. Denn wen schüttelt es bitte
nicht, angesichts von Bildern, die zusammengepferchte Legebatteriehühner oder
Affen zeigen, denen für Experimente Metallklammern in die Köpfchen gerammt
wurden? Weltweit lässt sich allerorten Tierleid entdecken, die Liste der
Konfliktfelder bzw. Punkte, die PETA kritisiert, ist sehr lang:
- Massentierhaltung, Tiertransporte, Schlachthöfe und fleischverarbeitende Betriebe
- Tierversuche
- Pelztiere
- Jagd und Angeln
- Zoos und Tiergärten
- Tierzirkus, Schaustellerei, Sport, Shows, Brauchtumsveranstaltungen und
- Fleischessen versus Vegetarismus bzw. Veganismus[4]
PETA hat sich
das hehre Ziel auf die Fahnen geschrieben, durch
Aufdecken von Tierquälerei, Aufklärung der Öffentlichkeit und Veränderung der
Lebensweise, jedem Tier zu einem besseren Leben zu verhelfen.[5]
Provokation und Protest
Werfen wir
nun einen Blick auf die Arbeitsmethoden, die Kritikern, trotz PETAs ethisch nachvollziehbaren
Grundgedanken, immer wieder neues Futter für Angriffe bieten. Wichtigstes
Mittel, um die öffentliche Aufmerksamkeit für Themen zu gewinnen, die im Alltag
für gewöhnlich untergehen, stellen für PETA radikal medienwirksame
und provokative Kampagnen dar, die sich in ihrer Bandbreite von Plakaten, Filmen bis hin zu Spots und Aufklärungsaktionen erstrecken. So wurde dem Fleischkonsumenten bei der
Aktion „Esst die Wale“ der Walverzehr nahelegt, um unzähligen Hühner,
Schweinen, etc. das Leben zu retten. Die Kampagne „Holocaust auf ihrem Teller“
setzte KZ-Häftlinge und Tiere in Massenhaltung gleich. Regelmäßig werben (halb-)nackte
Prominente unter dem Slogan „Lieber nackt als im Pelz“ für PETA oder
präsentieren gehäutete Tiere mit dem Claim „Das ist der Rest von ihrem Pelz“.
PETA liebt die Provokation. Alles wird versucht, um den gelangweilten und von
dramatischen Nachrichtenbildern abgestumpften Konsumenten aus seinem
Dämmerzustand zu aufzuschrecken.
Um Beweise für allzu
oft anzutreffende Tierquälerei zu bekommen und die Missstände anzuklagen,
schleichen PETA-Mitglieder heimlich in Tierlabore, Schlachthöfe, Bauernhöfe, etc.
und filmen die vorgefundenen Grausamkeiten. Gern wird auch auf Filmmaterial von
radikaleren Tierrechts- und/oder befreiungsgruppen wie der Animal Liberation
Front (ALF) zurückgegriffen. Provokante Protestaktionen, wie etwa in
Fleischschalen verpackte, nackte Menschen, zählen außerdem zum
Standard-Programm PETAs. Über zahlreiche gestartete Petitionen versucht PETA über die Politik Veränderungen zu bewirken. Alle Filme, Plakate, Kampagnen sind sowohl offline als
auch online jederzeit präsent. Und damit kommen wir zum – meiner Meinung nach –
erfolgsstiftenden Moment PETAs: der gezielten
Generierung und Nutzung von Medienaufmerksamkeit. PETA weiß, wie und wo
aufmerksamkeitserregende Bilder zu bekommen sind und manövriert sich bewusst
und mehr oder weniger stilsicher durch den Medienwirbel. Gerade in der jungen
Generation senkt der zusätzliche flächendeckende Einsatz von Social-Media-Anwendungen
die Hemmschwelle für den Erstkontakt mit den zunächst neuen und fremden
Weltansichten.
Zwar besteht in Deutschland seit 1972 ein
gültiges Tierschutzgesetz, das – grob zusammengefasst – die Leidensminimierung
bzw. -freiheit von Tieren gewährleisten soll, PETAs Ansichten tierleidfreien
Lebens gehen aber weit über die Reglementierungen des Gesetzes hinaus. Um das
ihrer Ansicht nach himmelschreiende Unrecht zu bekämpfen, scheuen sich
PETA-Mitglieder nicht, geltende Gesetze und Maximen des harmonischen
gesellschaftlichen Miteinanders zu überschreiten und mit radikalen
Gruppierungen wie der Animal Liberation Front (ALF) zu kooperieren, die ihre
Ansichten gewaltsam durchsetzen. Das ALF-Mitglied Kevin Kroemmer argumentiert wie
folgt:
„Jeder, der sich für Tiere einsetzt oder versucht, etwas für
Tiere zu verändern und dabei auf legale Methoden zurückgreift, wird merken,
dass man sehr schnell an Grenzen stößt, weil mit Auflagen Proteste eingedämmt
werden, dass vor gewissen Läden nicht demonstriert werden darf, dass man im
legalen Rahmen nur sehr, sehr beschränkte Mittel hat.“[6]
Die Gegner
Hausfriedensbruch, Einbruch oder
Sachbeschädigung werden also bewusst in Kauf genommen, um Tiere zu befreien,
brisantes Filmmaterial aufzunehmen und somit öffentliche Aufmerksamkeit zu
erregen.[7]
Dieser Balanceakt zwischen
Idealismus und Illegalität, kombiniert mit provokanten Aktionen, sorgt dafür,
dass sich PETA nicht nur Freunde macht, das ist klar. Zu den Gegnern PETAs
zählen verständlicherweise Großkonzerne wie etwa McDonalds, Kentucky Fried
Chicken oder Burger King, Schlachthöfe, aber auch kleinere, regionale Betriebe,
Zirkusse, und viele mehr. Sie alle sind regelmäßig die Zielscheibe von PETAs
Kritik. Sie fürchten Umsatzeinbußen oder Schließungen infolge der Negativschlagzeilen
sowie härtere gesetzliche Reglementierungen, die bisherige Arbeitsabläufe
verteuern oder erschweren. Abgesehen davon, halten aber auch viele „normale
Menschen“ das Vorgehen PETAs für zu rigoros, für übertrieben und verstörend;
nicht selten fällt der Begriff „Spinner“. Kritiker werfen PETA zudem Populismus
vor. Nackte Frauen auf Plakaten und provokante Kampagnen dienen ihrer Meinung
nach nicht dem Schutz der Tiere, sondern ausschließlich dem eigenen Zweck.
„Pietätslose“ Kampagnen wie „Holocaust auf ihrem Teller“ sollen um jeden Preis Aufmerksamkeit
erzielen, Anstand und Gefühle Betroffener werden missachtet, schimpfen die
Gegner.
Fotorechte: PETA
Zusammenfassend betrachtet, sieht die Liste der Hauptanklagepunkte so
aus:
- zu radikal, zu extrem, dogmatisch
- PETA tötet in eigenen Tierheimen selbst Tiere
- die Belange der Tiere stehen nicht im Vordergrund
- Unterstützung illegaler Gewalttäter
- für Vegetarismus/Veganismus werbende Prominente leben selbst nicht nach dieser Maxime
- PETAs Aktionen zielen oft bewusst auf Kinder (Gehirnwäsche)
- PETA setzt sich nicht für alle Tiere ein
- übertriebene PR-Aktionen (dramatisierend, populistisch, anstandslos)
- Spenden helfen den Tieren nicht direkt
- eine vollständige Gleichsetzung von Mensch und Tier ist unmöglich
"Tiere sind zum Schlachten da" versus "Tiere werden ausgenutzt"
Auch die Leipziger Volkszeitung ging im Sommer 2010 der Frage nach ob PETAs provokante Aktionen innerhalb der Bevölkerung Zustimmung finden. Damals saß in der Leipziger Innenstadt eine (kunst-)blutverschmierte, pelzbehängte Frau in einem engen Drahtkäfig und harrte dort mehrere Stunden in glühender Sommerhitze. PETA wollte mit dieser Aktion ein Zeichen gegen Pelzkleidung setzen. Die Reaktionen reichen von "Tiere sind nun einmal zum Schlachten da." über "Ich finde das gut, weil ich es einfach scheiße finde, dass man Lebewesen so ausnutzt." bis hin zu resignierten Aussagen wie "Die Gesellschaft interessiert sich nicht so dafür. Ich glaube, dass die Leute nur vorbeigehen und gucken und das war's."
Erstes Fazit
Was bei der Beschäftigung mit PETA zu allererst ins Auge fällt, ist die eindeutige Fokussierung sämtlicher Aktionen darauf, größeres öffentliches Bewusstsein für die Problematik des Tierleids in all seinen Facetten zu schaffen. PETA möchte die Menschen aufrütteln, schockieren, sie zwingen sich mit ihrer Lebensweise und den Missständen, unter denen viele Tiere zu leiden haben, auseinanderzusetzen. Ich musste eindeutig genauer recherchieren, als ich erfahren wollte, was konkret PETA gegen das Tierleid unternimmt. Im Gegensatz zu Organisationen wie Greenpeace, bei denen mein erstes gedankliches Bild ein auf dem Meer schippernder Walschützer in gelber Regenjacke ist, der Walfängerboote kapert, verbinde ich mit PETA zunächst lediglich schrillen Protest, aber keine aktive Tierrettung. Denn auch die Tierbefreiungsaktionen, deren Videos auf der PETA-Homepage gezeigt werden, stammen nicht von PETA selbst. In diesem Punkt schließe ich mich den Kritikern zunächst an, die bemängeln, dass Spenden den Tieren nicht direkt helfen. Aber indirekte Hilfe ist ja auch schon ein Schritt in die richtige Richtung.
Bei der ersten Auseinandersetzung mit meiner Leitfrage, ob der Zweck die Mittel heilige, stelle ich schnell fest, dass sich deren Beantwortung als sehr kniffelig erweist. Einbruch und Sachbeschädigung sind gesetzlich verboten und damit illegale Straftaten. Und auch wenn PETA diese nicht selbst begeht, so unterstützt sie diese immerhin, indem Videos davon online gestellt werden. Doch was ist schon eine zertrümmerte Eingangstür gegen ein gerettetes Hasenleben? Noch schwerer fällt die Beurteilung provokativer Kampagnen. Ist es korrekt, dass nackte Frauen - sei es mit Salatblättern bekleidet oder in Kunstblut badend - für Tierrechte werben? Wo liegt die Grenze zwischen Pietätlosigkeit und Notwendigkeit, um ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen? Es erfordert noch einiges Grübeln und Recherchieren, um eine vage Antwort auf diese Fragen geben zu können.
Literatur
Ach, Johann S. (2009): Transgene Tiere. Anmerkungen zur
Herstellung, Nutzung und Haltung transgener Tiere aus tierethischer
Perspektive. In: Ach, Johann S.; Stephany, Martina (Hrsg.): Die Frage nach dem
Tier. Interdisziplinäre Perspektiven auf das Mensch-Tier-Verhältnis. Berlin:
Lit Verlag Dr. W. Hopf, S.33–46.
Baranzke, Heinz (2009): Sind alle Tiere gleich? Vom
reduktionistischen Antispeziesismus zur selbstreflexiven Verantwortungsethik.
In: Ach, Johann S.; Stephany, Martina (Hrsg.): Die Frage nach dem Tier.
Interdisziplinäre Perspektiven auf das Mensch-Tier-Verhältnis. Berlin: Lit
Verlag Dr. W. Hopf, S.17–32.
Birnbacher, Dieter (2009): Haben Tiere Rechte? In: Ach,
Johann S.; Stephany, Martina (Hrsg.): Die Frage nach dem Tier.
Interdisziplinäre Perspektiven auf das Mensch-Tier-Verhältnis. Berlin: Lit
Verlag Dr. W. Hopf, S.47–64.
Bleibohm, Gunter; Hoos, Harald (2009): Totentanz der Tiere.
Schonungslose Bemerkungen zu Tierelend, Jagd und Kirche. Saarbrücken:
Geistreich Verlag.
Harringer, Susanna (2002): Manche Tiere sind gleicher.
Konzepte von Tierverschonung, Tierbefreiung, Tierrecht und Tierverteidigung und
ihr politischer Anspruch. Wien; Mühlheim/Ruhr: Guthmann-Peterson.
Hemprich, Georg (2005): Jagd. Über den Umgang
zivilisierter Menschen mit der Natur. Eine Gegenrede. In: Berliner
TierrechtsAktion (Hrsg.): Befreiung hört nicht beim Menschen auf. Reiskirchen:
SeitenHieb Verlag, S.20–36.
John, Jörg (2007): Tierrecht. Dresden: Saxonia
Verlag.
Kaplan, Helmut F. (2009): Ich esse meine Freunde nicht.
Oder: Warum unser Umgang mit Tieren falsch ist. Berlin: trafo
Wissenschaftsverlag.
Kroemmer,
Kevin (2005): Actions Speak Louder – Direct Action for
Animal Liberation. In:
Berliner TierrechtsAktion (Hrsg.): Befreiung hört nicht beim Menschen auf.
Reiskirchen: SeitenHieb Verlag, S.77–92.
Rippe, Klaus Peter (2011): Tierschützer. Ihre
Erscheinungsformen, Handlungsweisen und ihr Ringen um Integrität. In: Bolliger,
Gieri; Goetschel, Antoine F.; Rehbinder, Manfred (Hrsg.): Psychologische
Aspekte zum Tier im Recht. Band 11: Schriften zur Rechtspsychologie. Bern:
Strämpfli Verlag, S.133–152.
Singer, Peter (1996): Animal Liberation. Die Befreiung
der Tiere. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
Internetquellen
- Derbyshire, Stuart (2001):A timeline of reaction. Internet: www.spiked-online.com/Articles/0000000054FF.htm [Zugriff am 06.11.2012].
- Ullman,
Harald (2001): Esst Wale! Internet:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-19752776.html [Zugriff am 06.11.2012]
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